Kerstlingeröder Friedhof
Beweidungsflächen

Die Idee ist nicht neu, schon in der Vergangenheit sprach uns ein großer Umweltverband an, ob wir nicht einen großen Friedhof in Göttingen zwecks Insektenförderung beweiden wollen. Die Idee klang recht vielversprechend. Jedoch waren wohl die Bedenken seitens der Friedhofsverwaltung zu groß. Die Idee wurde auf Eis gelegt.
Im August 2020 fragte unabhängig davon der Kirchenvorstand von Kerstlingerode unseren dort ortsansässigen Schäfer, ob er nicht Lust hätte, die freie Fläche des Friedhofs zu beweiden. Aus finanziellen Gründen aufgrund zu weniger Bestattungen, aber auch zur Förderung der Fauna und Flora, wird nun seit September 2020 mit einer kleinen Skuddenherde das potenziell artenreiche Grünland beweidet und gepflegt.
2025 - 5 Jahre Friedhofsbeweidung: Ein Zwischenbericht

Der Friedhof besteht aus drei getrennten Flächen, wovon seit 25 Jahren nur noch die große nördliche (dunkelgrün) für Bestattungen genutzt wird. Die westliche Fläche (blau) ist grabfrei, auf der südlichen (lila) befinden sich noch vier Gräber, wovon nur noch eins aktiv gepflegt wird. Die Fläche im Osten (orange) ist im Privatbesitz und kam erst im Winter 2024/25 hinzu. Vor der Schafsbeweidung im Jahr 2020 wurden die Flächen arbeits- und kostenintensiv gemäht. Das Schnittgut wurde allerdings nicht abgetragen (mulchen). Aus diesem Grund waren die Wiesen anfangs stark verfilzt und vermoost. Auch das Artenreichtum an Pflanzen war damals noch sehr überschaubar.
Seit 2020 werden die 2 Weideparzellen - mit einer Gesamtgröße von ca. 2000 m² - zweimal im Jahr mit einer Schafherde von 5 - 10 Tieren beweidet. Die Fläche wird dabei weder gedüngt, noch findet ein Pestizideintrag statt. Auch konnte der Kirchenvorstand davon überzeugt werden, dass eine Nachpflege der Fläche kontraproduktiv ist. Überstehende Stängel der Gräser und Stauden bieten im Winter für Insekten Nistplätze und auch Vögel nehmen Samen und Fruchtstände der über dem Winter stehenden Pflanzen gerne an.
Allerdings sind nicht alle Dorfbewohner mit der Beweidung des Friedhofs vergnügt. Zu Beginn gab es noch einige Sabotageversuche, die sich mittlerweile gelegt haben. Einige Anwohner empfinden diesen natürlichen "ungepflegten" Anblick als störend und erwarten wohl eine arten- und strukturarme Rasenfläche. Die Schönheit liegt jedoch im Auge des Betrachters und so ist doch die Mehrheit der Friedhofsbesucher positiv von diesem Projekt angetan. Drei der vier Gräber auf der untenliegenden Fläche, die anfangs noch ausgezäunt wurden, werden mittlerweile sogar mitbeweidet.
In den letzten 5 Jahren entwickelte sich die Fläche stetig und seit 2024 ist sie im Maßnahmenprogramm "Agrarförderung ÖR5" der Landwirtschaftskammer Niedersachsen aufgenommen. Die Maßnahme sieht vor, dass mindestens 4 Kennarten flächig vorhanden sind. Das Ergebnis nach einer Vegetationsaufnahme im Frühjahr 2025 zeigte, dass mittlerweile sogar mindestens 12 Kennarten auf der Fläche vorkommen, 8 davon flächig. Damit übertrifft das Ergebnis allen Erwartungen. Selbst ein geschützter artenreicher Kalkmagerrasen weist nicht immer mehr Kennarten auf. Zwar sind noch keine gefährdeten und geschützten Pflanzen vorhanden, doch gerade die einheimische und standortgerechte Vegetation ist für Spezialisten unter den Insekten unverzichtbar. Erfreulicherweise kann seit Winter 2024/25 auch eine direkt anliegende Wiese von ca. 1000 m² mitbeweidet werden.
Die im Randbereich vorkommenden Efeugewächse - hochwachsend an den Eschen oder kriechend am Boden - stellen eigene Kleinbiotope dar. Als einer der wenigen Pflanzen liefert der Gemeine Efeu ein reiches herbstliches Nahrungsangebot für Bienen, Hornissen und weitere Insekten an. Auch die Waldeidechse fühlt sich sichtlich auf dem sonnenbescheinten Südhang unter den Efeublättern wohl.
Folgende Kennarten wurden im Frühjahr/Sommer 2025 nachgewiesen:
Großer Sauerampfer, Scharfer Hahnenfuß, Wiesen-Schaumkraut, Gewöhnliche Schafgarbe, Rot-Klee, Gamander Ehrenpreis, Kleine Braunelle, Spitz-Wegerich, Hornklee, Wiesen-Labkraut, Gras-Sternmiere, gelbe Korbblüter

(leider nicht frei zugänglich).